Zschäpe-Aussage: Jetzt antworten die Betroffenen

Am 9. Dezember 2015 ließ die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, von ihrem Anwalt eine 53-seitige Erklärung [Wortlaut] verlesen. Unter großer Aufmerksamkeit blickten die Medien und die Öffentlichkeit einmal mehr auf die Aussagen der Täter_innenseite. Wir haben die Betroffenen und Nebenkläger_innen aus der Keupstraße gefragt, was sie von der „Aussage“ Zschäpes halten.

M.
„Diese Frau macht sich über uns lustig. Sie macht sich über das Gericht lustig. Gleichzeitig möchte sie alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Man könnte es aber auch von einer anderen Seite betrachten, nämlich, dass sie mit ihrer Aussage versucht, Menschen auf ihre Seite zu ziehen und Sympathien zu gewinnen.

Ich sehe das so, dass sie allen demonstrieren möchte, dass sie sagen und sogar machen kann, was sie will. So, nach der Art – ich weiß zwar sehr viel, aber ich sage nur das, was ich will.

Das und ihre Worte sind eine große Respektlosigkeit gegenüber den Opfern, deren Familien und aller anderen Betroffenen des NSU.“

 

K.
„Ich habe mich nicht gewundert über die Inhaltlosigkeit der Aussage von Zschäpe. Für mich stellt sie lediglich einen Teil der Weiterführung des inszenierten Szenarios dar. Wir als Betroffene sind ja schließlich nicht so dumm, als dass wir erwarten würden, dass so jemand wie Zschäpe wahrheitsgetreu auf ihre Rolle im NSU-Netzwerk und dessen Terror eingehen würde. Wir wissen im Grunde genommen genau, was Sache ist und müssen uns unbedingt gegen diese dunkle Macht stellen, die von Seiten des Staates unterstützt wird durch ihre Mittelsmänner- und frauen, die versucht, alles im Dunklen zu lassen. Nicht das Gericht oder die Untersuchungsausschüsse sind diejenigen, die sich wirklich dagegen stellen wollen, sondern das sind wir. Wir, als Gemeinschaft und Gesellschaft, stellen die einzige Kraft gegen die Machenschaften in diesem „tiefen Staat“ dar.

Dieses Szenario, was wir jetzt beobachten können, hat sich von Anfang an abgezeichnet, denn nachdem die beiden (Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt) umgebracht wurden, wurde stets versucht, alle Taten auf diese beiden abzuwälzen. Die beiden können sich nicht mehr verteidigen, denn sie sind tot. Daher kann man auch sehr leicht behaupten, dass sie die einzigen Verantwortlichen waren, so, wie es auch Zschäpe behauptet, indem sie sagt, dass sie keine andere Bindung außer der von ihr dargestellten zu den beiden hatte.
Das Ergebnis der Aussage war für mich von vorneherein gezeichnet. Das war zu erwarten. Für uns aber gibt es eine Wirklichkeit und für uns ist es wichtig, zu agieren, sodass wir die Wirklichkeit und die tatsächlichen Hintergründe ans Tageslicht bringen.

Es wird versucht, Zschäpe reinzuwaschen von vielen Seiten, auch von Seiten des Staates, denn es ist anzuzweifeln, dass der Staat ein wirkliches Interesse daran hat, dass sie voll umfänglich aussagt.

Die Frage, die sich hier für mich persönlich stellt, ist doch eher, wer hat wirklich den NSU unterstützt, wer hat tatsächlich die Waffen organisiert und diese Fragen bleiben unverändert am selben Punkt. Alles muss gezeigt werden, aber auch wenn wir dies erwarten, kann dies überhaupt geschehen? Im Türkischen haben wir ein Sprichwort, das hier sehr gut passt: Welcher Hund frisst schon das Fleisch eines anderen Hundes?

Die Opfer der NSU-Morde und Anschläge scheinen hier in Deutschland nicht wichtig. Um die Öffentlichkeit zu beruhigen, wurden uns Vertreter_innen des Staates, wie Merkel und Co. mit ihren passenden Aussagen präsentiert. Aber wenn man das Agieren des OLG und die Möglichkeiten der Untersuchungsausschüsse anschaut, muss immer wieder auch gefragt werden, wie sehr können diese Organe des Staates überhaupt unabhängig von diesem agieren – auch dies erzählt alles.

Wir, als Betroffene und die wenigen, die uns zur Seite stehen, fragen uns, wo sind die restlichen demokratischen Kräfte, wo sind sie in diesem Land?

Wenn wir sagen könnten, dass die Sachlage nicht so gewesen ist, sondern so dann könnte sich evtl. etwas ändern. Aber uns wird momentan nicht die Möglichkeit gegeben, das uns vorgespielte Szenario aktiv zu beeinflussen. Wir brauchen die ganze Gesellschaft, um in diese Richtung öffentlichen Druck zu erzeugen und um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Wir versuchen jetzt schon alles Mögliche, aber wir kommen aufgrund der staatlichen und gesellschaftlichen Widerstände nicht weiter. Aber, mal ganz ehrlich, würde man einem Kind den Sachverhalt schildern, würde selbst ein Kind klarer sehen und beurteilen können, als dies der Staat und seine Behörden bereit sind zu tun.

In einem Land, das sich nach Außen als demokratisch und fortschrittlich darstellt, ist es doch eine Schande, dass es im Nachgang an derlei Morde und Anschläge möglich ist, dass der Staat, der Verfassungsschutz und andere Behörden so agieren können. Aber anscheinend ist es der traurige Fall, dass das nicht ausreichend genug Menschen in diesem Land so sehen.

Denn wenn man noch nicht einmal in der Lage ist, das Leid, welches uns zugefügt wurde, als ein geteiltes und gemeinsames Leid zu betrachten und dies in die gesamte Gesellschaft zu tragen, wie sollen wir dann überhaupt dieses Leid dann überwinden?

Wenn wir uns nicht zusammenschließen können, können wir gegen die Gegenseite nichts ausrichten, denn z.B. eine Initiative wie die „Keupstraße ist überall“ kann allein nicht ausreichend viel ausrichten, es ist auch nicht ihre Aufgabe allein, es ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Nur eine Vereinigung von verschiedensten Kräften kann gemeinsam effektiv agieren und Veränderungen erreichen, vereinzelte Kräfte können hier nicht viel ausrichten. Wir müssen uns alle zusammentun – warum gibt es überhaupt eine Trennung – es ist unser gemeinsames Leid und unser gemeinsames Anliegen – heute sind wir es und ganz sicher werdet ihr es morgen sein.

Unser Ziel ist es, diese Lügen aufzudecken. Das Urteil des Gerichts, das kann ich jetzt schon sagen, werden wir genauso wenig akzeptieren wie die Aussage von Zschäpe heute.

Wo stehen wir, wie können wir was in welchem Maße verändern? Die ganze Kraft, die wir gemeinsam haben, müssen wir aufbringen, denn wenn solche unglaublichen Dinge passieren, können wir doch nicht vom Staat und den Behörden wirklich etwas erwarten, denn von denen haben wir tatsächlich nichts zu erwarten.

Die Dunkelheit in dieser Geschichte darf nicht weiterhin so dunkel bleiben. Unser Ziel ist nicht nur die Verurteilung von Zschäpe, sondern vielmehr als das: wir wollen das ganze Ausmaß dieser Machenschaften aufgeklärt und aufgedeckt wird und dies schließ ganz klar auch die Verstrickung des Staates und seiner Organ mit ein!“

Ay.
„Ich hatte ja eigentlich gar nichts erwartet und war mir sicher, dass alles nur Show ist. Ihre Aussage hat aber meine schlimmsten Erwartungen übertroffen. Zunächst bin ich mir sicher, dass sie diese Aussage nicht selbst verfasst hat und es kotzt mich an, dass eine derartige kalte Bestie sich zu einem Opfer macht. Sie sei Opfer ihrer Liebe und sie konnte nicht ertragen diese Typen zu verlieren. Sie versucht Mitleid zu bekommen und ihre menschliche verliebte Seite in den Vordergrund zu stellen.

Sie lügt und betrügt, ich glaube ihr kein Wort, sie hat keine menschliche Seite, sie ist eine Bestie, die selber kein Mitleid hat und vor allem keine richtige Reue zeigt. Es kommt nicht darauf an was sie sagt sondern auf das, was sie nicht sagt.

Es gibt keine richtige und vor allem irgendwie ehrlich gemeinte Entschuldigung  bei den Opfern und ihren Verwandten! Alles nur Show, sie ist und bleibt in meinen Augen eine Mörderin!“

 

A.
„Die Aussage war das, was wir erwartet haben. Dass Zschäpe tatsächlich über die Schuld von weiteren Involvierten sprechen würde, haben wir nicht erwartet. Ich frage mich nur, wenn die anderen beiden (Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt) noch am Leben wären, ob sie dann denn auch dasselbe, was heute in ihrer Aussage stand, hätte sagen können oder gesagt hätte? Das sind doch alles vorbereitete und gestellte Szenarien.

Zehn Menschen wurden umgebracht, Bombenanschläge verübt, Familien und Angehörige der Mordopfer und die Betroffenen der Anschläge in ihrem Leid zurück- und alleingelassen – und dann schaue man sich einmal an, was diese Frau für Worte an diese Menschen richtet!

Mir kann doch niemand erzählen, dass diese Aussage von ihr selbst aufgesetzt wurde. Oder meint irgendjemand vielleicht wirklich, dass seit dem Zeitpunkt, seit dem sie im Gefängnis ist, seitens des Staates und seiner Behörden nicht Unterstützung in dieser Hinsicht gegeben und diese Aussage nicht von diesen Kräften mit vorbereitet wurde?“

Initiative „Keupstraße ist überall“, 10.12.2015
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