Keupstrasse ist überall – Kein Schluss-Strich!

Die Keupstraße ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt als die zentrale Geschäfts- und Ladenstraße der türkeistämmigen Community in Köln. Am 9. Juni 2004 explodierte dort am hellichten Tag eine von Neonazis gezündete Nagelbombe mit dem Ziel, möglichst viele vermeintlich nicht-deutsche Menschen zu töten oder zu verletzen und deren anliegende Geschäfte und Häuser zu zerstören. Nur glücklichen Zufällen ist es zu verdanken, dass dieser vom sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) versuchte Massenmord keine Todesopfer gefordert hat. Der Anschlag steht in einer rassistischen Kontinuität, die vor und nach dem Mauerfall Hunderte von Menschen das Leben kostete und nicht nur unter Migrant*innen entsetzliches Leid verursachte. So war bereits am 19. Januar 2001 eine Sprengfalle des NSU in einem Lebensmittelgeschäft der Kölner Probsteigasse explodiert. Eine junge Frau wurde dabei lebensgefährlich verletzt.

Der Bombe in der Keupstraße folgte der „zweite Anschlag“: Jahrelang ermittelten die Behörden ausschließlich gegen die zum Teil schwer Verletzten und Geschädigten der Bombe und machten aus Opfern Täter. Medien und Öffentlichkeit griffen das Gerede von „kriminellen Ausländermilieus“ auf. Dies änderte sich erst 2011 mit der „Selbstenttarnung“ des NSU.

Vor diesem Hintergrund gründete sich 2013 die Initiative „Keupstraße ist überall“, um gemeinsam mit den über 20 Nebenkläger*innen aus der Keupstraße beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München in die Offensive zu gehen. Wir halfen den Betroffenen bei der Suche nach geeigneten Nebenklagevertretungen und begleiteten sie 2015 zu den sie betreffenden Verhandlungstagen. Durch verschiedene Veranstaltungen, Aktionen und ihre bloße Präsenz im Gericht konnten wir gemeinsam ein sichtbares Zeichen setzen. Zur Urteilsverkündung 2018 organisierten wir gemeinsam mit den Betroffenen im Bündnis „Kein Schluss-Strich“ öffentlichkeitswirksame Aktionen und Pressekonferenzen.

Auch nach dem Ende des NSU-Prozesses gilt: Kein Schluss-Strich!

Den Überlebenden der NSU-Bombenanschläge und den Angehörigen der NSU-Mordopfer wurde auch durch den Prozess keine Gerechtigkeit zuteil.

Im Gegenteil ermutigten Verlauf und Ausgang des Prozesses rechtsextreme Gewalttäter. Seitdem agieren sie noch militanter und rassistisches, rechtes und völkisches Gedankengut sind in der breiten Gesellschaft salonfähig geworden. Täglich steigt die Anzahl der Übergriffe gegen Menschen anderer Herkunft und anderer Meinung.

Daher hat sich die Initiative „Keupstraße ist überall“ zum Ziel gesetzt:

  • mit Nachdruck deutlich zu machen, dass die Neonazi-Anschläge sich gegen alle richten, die sich eine offene Gesellschaft wünschen.

  • die Menschen aus der Keupstraße weiterhin zu unterstützen und gemeinsam ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung zu setzen.

Wir wollen:

– das Wissen und die Erinnerung an die Taten des NSU in Köln und bundesweit wachhalten und uns gegen das Vergessen dieser grausamen Taten und ihrer Opfer wenden. Niemand wird vergessen! Hiç unutmadik!

– die vom NSU-Terror Betroffenen dahingehend unterstützen, dass die staatlichen Behörden sie für die Täter-Opfer-Verdrehung und die behördlichen Verfolgungen endlich um Entschuldigung bitten und dass sie angemessen entschädigt werden.

– immer wieder darauf drängen, dass endlich politische und gesellschaftliche Konsequenzen gegen den institutionellen Rassismus umgesetzt werden, wie sie z.B. aus den Empfehlungen der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse hervorgehen, und diese Entwicklung kritisch beobachten.

– weiterhin für das Mahnmal zum Gedenken an die Bombenanschläge auf die Keupstraße und die Probsteigasse kämpfen, auch gegen den Widerstand von Investor und Stadtverwaltung.

– das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft in den Stadtvierteln vertiefen.

– uns auch in Zukunft gegen alle Formen rassistischer Gewalt zur Wehr setzen, damit die Neonazis und ihre Helfer*innen in Gesellschaft, Polizei und Geheimdiensten ihr Ziel der Erniedrigung, Isolation und Vertreibung nicht erreichen.

Unser Anliegen ist ein breites, vernetztes Bündnis, um gemeinsam ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung, Neonazis sowie strukturellen und institutionellen Rassismus zu setzen.

Kein Schluss-Strich! Keupstraße ist überall. Her yer Keupstraße.