Keine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz

An die Abteilung für Studienförderung der Hans Böckler Stiftung,

die Initiative „Keupstraße ist überall“ hatte auf Einladung der Hans Böckler Stiftung die Teilnahme an dem Panel „Rechter Terror und die Folgen: Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft bei Prävention und Intervention“ zugesagt. Wir begrüßten, dass die HBS sich mit dem Thema des NSU-Komplex und der Rolle des Verfassungsschutzes darin auseinandersetzen möchte. Gerne hätten wir in diesem Rahmen von unserer Arbeit berichtet und unsere Erfahrung in die Debatte eingebracht.

Nun haben wir erfahren, dass mit Horst Lahmann ein Vertreter des Verfassungsschutzes selbst an der Diskussion um die Bedeutung seiner Behörde an den rassistischen Taten teilnehmen soll. Die Erfahrungen aus den parlamentarischen Untersuchungssausschüssen auf Bundes- und Landesebene haben allerdings gezeigt, dass die Verstrickung des VS mit den neonazistischen Verbrechen nicht aufgeklärt wurde und das auch, weil die vernommenen Mitarbeiter der Geheimdienste wenig zu dieser Aufklärung beitrugen, sondern im Gegenteil von ihren Vorgesetzten keine Aussagegenehmigung bekamen oder aber ihre Rolle nicht erinnerten, verharmlosten, verdrehten oder belastendes Material gleich direkt vernichteten. Damit steht der Verfassungsschutz für uns außerhalb demokratischer Kontrolle und disqualifiziert sich als Gesprächspartner.

Die Initiative „Keupstraße ist überall“ arbeitet eng zusammen mit den migrantischen Opfern der Nagelbombe von 2004. Für die Opfer war die Bombe nur der Anfang eines Leidens, das sich bis zur Selbstenttarnung des NSU 2011 durch behördliche Drangsalierungen und mediale rassistische Hetze noch fortsetzte und für viele bis heute schmerzvolle Konsequenzen hat. Die Rolle des Verfassungsschutzes beim Aufbau militanter Nazistrukturen, ihrer finanziellen Unterstützung und ihrem Schutz vor Strafverfolgung und ganz konkret innerhalb der Mordserie des NSU ist nicht geklärt. Gleichzeitig beobachten wir gegenwärtig eine Anbiederung des VS an demokratische Gruppen, die sich kritisch mit rechter Gewalt und Neonazi-Terror auseinandersetzen. Wir verstehen dies als eine Strategie, das durch den NSU-Skandal angekratzte Image aufzupolieren und sich einer breiten gesellschaftlichen Legitimation zu versichern. Wir sehen allerdings keinen Grund, bis zur lückenlosen Aufklärung des NSU-Komplexes und entsprechenden Konsequenzen, diese im Geheimen operierenden Strukturen zu legitimieren. Wir sehen in einer solchen Legitimierung vielmehr ein falsches Signal, die geheimdienstliche Praxis des Aufbaus, der Radikalisierung und der Absicherung von rechten Strukturen fortzuführen, aus denen heraus weitere Neonaziverbrechen gegen MigrantInnen geplant und durchgeführt werden.

Unter den Bedingungen der Teilnahme eines Mitarbeiters eines Geheimdienstes sehen wir daher keine Möglichkeit, an Seminaren der HBS teilzunehmen. Wir erklären uns damit auch solidarisch mit dem Beschluss der Vollversammlung der Promovierenden der HBS vom 5.4.2014 in Göttingen, „jegliche Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz zu unterlassen“.

Mit freundlichen Grüßen
Initiative „Keupstraße ist überall“
09.01.2015

 

Update, 16.01.2015: Die Hans-Böckler-Stiftung hat das Seminar abgesagt.

junge welt, 16.01.2015: Schlappe für Verfassungsschützer

junge welt, 13.01.2015: Kein Gesprächspartner